Preisparität & Preisdifferenzierung

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Preisparität und Preisdifferenzierung haben beide aus Händlersicht ihren Sinn. Insbesondere dann, wenn man neben dem eigenen Onlineshop auf Plattformen verkauft. Denn Menschen vergleichen. Insbesondere in Zeiten, in denen die Lebenshaltungskosten hoch sind. 

So beißen viele dann eben in den sauren Apfel der Preisparität und verlangen im eigenen Shop und auf der Plattform den selben Preis. Auch wenn auf der Plattform Transaktionskosten, Provisionen oder gar Fulfillment die Marge schmälern. Manche sind mutig und nutzen das Vertrauen den die Menschen in bestimmte Plattformen haben und die Bequemlichkeit mancher Kunden, um beispielsweise auf Amazon moderat teurer zu verkaufen, als im eigenen Shop – weil es genug Käufer gibt, die den Amazonkomfort bezahlen.

Im Shop teurer als auf Amazon?

Seit einigen Tagen bekomme ich über alle Social Media Kanäle Werbung eines Herstellers von Schuhen. Von sehr, sehr schönen Schuhen. Ein Paar schreit förmlich: Kauf mich endlich. Aber jedes Mal, wenn ich in den Shop gehe und den Preis sehe, denke ich mir: Mensch, Nadine. Brauchst du wirklich ein weiteres Paar schwarzer Schuhe? Und wenn ich dann ehrlich zu mir bin, muss ich leider antworten: Nein.

Da ich heute aber gedanklich eh tief im E-Commerce bin, dachte ich mir: Du guckst dir das genauer an.

Im Herstellershop: 100 Euro plus 7 Euro Versand. Lieferung irgendwann nächste Woche.

Ich bin mir ziemlich sicher: Für das ca. 15. Paar schwarzer Stiefeletten dürfte bis nächste Woche Kaufreue einsetzen. Trotzdem schaue ich bei Amazon. Die Schuhe haben sehr eindeutige Namen und siehe da, sie sind zu finden.

Bei Amazon im Händler-Shop: 80 Euro, keine Versandkosten. Lieferung morgen.

Und die Frage: Warum? 27 Euro weniger für schnellere Lieferung und mehr als doppelt so langes Rückgaberecht. Und für den Händler weniger Marge, da er Provision zahlt, Transaktion zahlt und FBA zahlt.

Einzig die Spekulation auf mehr Verkäufe, bessere Bewertungen und somit die Beeinflussung der Amazon-Algorithmen bzw. das erlangen der Buybox (die für den Schuh im Moment nämlich niemand hat), ergeben hier irgendwie Sinn.

Dabei muss man dann aber wirklich hoffen, dass potenzielle Käufer, die recherchieren, sich über den günstigere Preis freuen und sich nicht veräppelt vorkommen. Denn der Käufer geht davon aus, dass der Händler immer verdient.

Preisparität dient dem Vertrauen und der Markenintegrität

Genau dieser Umstand, dass Kunden eben immer davon ausgehen, dass der Händler schon auf seine Kosten kommt, macht die Preisdifferenzierung nach Plattformen so schwierig. Irgendwie schwingt dann mit „Wenn der da billiger sein kann, zieht der mich (und andere) mit dem teureren Preis doch einfach über den Tisch und macht sich die Taschen voll.“ Besonders dann, wenn wir es, wie im Beispiel mit derart großen Sprüngen zu tun haben. Kunden sind dann schlicht skeptisch.

Ein weiterer Punkt, der für die Preisparität spricht, ist hier sicherlich das Thema Widerruf. Denn: Was tut er geneigte Kunde denn, wenn er im Shop teuer kauft und dann (gefüttert durch intelligente Algorithmen) auf Amazon das gleiche Produkt nicht nur günstiger, sondern auch schneller bekommt? Im besten Fall stornieren (was Prozesskosten bedeutet) oder gar die Lieferung abwarten und den Kauf per Widerruf retournieren (was noch viel mehr Prozesskosten bedeutet).

Gerade weil wir es hier im Beispiel nicht mit einem einfachen Händler zu tun haben, sondern mit einem Hersteller, sollte dem Unternehmen wohl auch an ihrer Marke gelegen sein. Auch hier spielt das Vertrauen des Kunden eine Rolle – aber eben auch das „Verramschen“ von Ware als fetten Minuspunkt. Und auch wenn man am Ende den Umsatz gemacht hat, hat man durch die Kannibalisierung von sich selbst vermutlich auch einiges an Geld liegen lassen.

Macht Preisdifferenzierung dann überhaupt Sinn?

Aber ja! Nur eben nicht unbedingt die plattformbezogene. Plattformbezogene Preisdifferenzierung dient vor allen Dingen der Gewinnmargenmaximierung (nicht mal unbedingt der Umsatz- oder Gewinnmaximierung). Die plattformbezogene Preisdifferenzierung macht Sinn, wenn ich als Händler Hit&Run-Produkte verkaufe, bei denen es nicht auf Kundenbindung ankommt. Das können niedrigpreisige Artikel sein, aber auch sehr hochpreisige. Bei den einen fallen 20% mehr oder weniger nicht auf, bei den anderen unter Umständen nicht ins Gewicht. Das können aber auch Produkte sein, die eben nur ein Mal gekauft werden und die selten Folgekäufe nach sich ziehen. Hier kann man die Differenzierung der Preise auf verschiedenen Plattformen nutzen, um verschiedene Zielgruppen zu erreichen.

Ansonsten gibt es aber viele andere Formen der Preisdifferenzierung, die sinnvoll in die Preisstrategie des Unternehmens passen können.

Preise lassen sich differenzieren nach Kundensegmenten (Alter, Geschlecht, Neukunde/Bestandskunde), Zeit (Saisonware in der Saison teurer als außerhalb, Impulskäufe Freitagnacht bis Sonntagmorgen günstiger machen uvm), Rabatte, Angebote – der Phantasie setzt hier eigentlich nur die PAngV eine Grenze).

Natürlich sind auch wettbewerbsorientiere dynamische Preisdifferenzierungen üblich. Möglich ist eben vielen. Bei vielem muss man aber eben auch aufpassen, dass es einem nicht am Ende auf die Füße fällt. Insbesondere den Widerruf sollte man dabei immer im Blick behalten: Ungünstig gewählte Diffenzierung der Preise kann ganz fix die Retourenquoten hochtreiben und so dem Unternehmen massive Kosten verursachen.

Nadine Huss

Nadine ist die Autorin des Buchs "E-Commerce-Manager*in", Dozentin und Beraterin.

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