Kundenerziehung im Onlinehandel: Retourenvermeidung

Read Time: 3 mins

Kundenerziehung – das Wort klingt irgendwie schrecklich, dennoch wird es zu einer zunehmenden Notwendigkeit. Denn das Konzept Eigenverantwortung funktioniert nur in bestimmten Gruppen.

Ein Beispiel jenseits des E-Commerce

Ich habe gerade auf Facebook gelesen, dass in einer Ortschaft in der Nähe in der sehr hübschen Innenstadt mit sehr hübschen, alten Häusern ein Dachstuhl brennt und Einsatzkräfte vor Ort sind. Gleich dazu zwei „Bitten“: Zum einen sollen die Menschen bitte von telefonischen Nachfragen bei Polizei und Feuerwehr absehen (sprich: Leitungen nicht unnötig belegen) und zum zweiten bitte nicht zum Gaffen hinfahren.

Eigentlich normal, oder? Offensichtlich nicht, denn sonst würde man sich die Aufrufe sparen.

Onlinehandel: Eigenverantwortung oder Kundenerziehung?

Im Onlinehandel ist es ähnlich. Eigentlich sollte wirklich jedem Konsumenten klar sein, dass unnötige Retouren durch Auswahlbestellung oder schlicht unnötiges Bestellen, nicht nur dem Händler schaden, sondern auch ein echtes Nachhaltigkeitsproblem sind.

Aber – gerade in Deutschland – ist es ja nun mal das „gute Recht“ eines jeden Onlineshoppers Waren zu bestellen und zurückzusenden.

Um dem entgegen zu wirken, lassen sich Händler immer wieder neues einfallen:

  • Rabatte und Gutscheine für Nicht-Retournierer
  • Wer viel retourniert, darf nicht mehr auf Rechnung kaufen
  • Wer offensichtliche Auswahlbestellungen (z.B. gleiches Kleidungsstück in verschiedenen Größen) tätigt, darf nicht auf Rechnung kaufen.
  • Allerlei Einkaufsassistenzen sollen Auswahlbestellungen prinzipiell minimieren
  • Rücksendungen werden kostenpflichtig gemacht (vgl. Zara)

In Deutschland ist es immerhin fast jedes vierte Paket, das zurück gesendet wird.

Wie lang ist das Widerrufsrecht in verschiedenen Ländern?

In anderen Länder ist der Verbraucherschutz, wie wir ihn in Deutschland durch Fernabsatzgesetz und Widerrufsrecht kennen, nicht ganz so stark aufgeprägt. Die EU-Richtlinie 97/7 EG sieht beispielsweise eine 7-tägige Widerrufsfrist als Mindeststandard vor. An den halten sich beispielsweise Frankreich, die Niederlande oder Österreich. Wobei es hier schon mit den Unterschieden beginnt: Mal werden Werktage gezählt (und es gibt Unterschiede, was als Werktag gilt), mal Kalendertage. Mal beginnt die Frist ab Zustellung der Waren, einem Großteil der Zustellung oder sogar bei Vertragsschluss.

Von den sieben Tagen weichen ab:

  • Belgien: 14 Werktage regulär
  • Deutschland: 14 Tage
  • Italien: 10 Werktage
  • Polen: 10 Tage
  • Schweden: 14 Tage

Alles in allem für unseren Kunden eine komfortable Situation. Und das ja auch zurecht. Auch wir als Käufer wollen ja schließlich einen gewissen Schutz und man kauft halt doch mitunter irgendwie die Katze im Sack.

Aber es gibt sie eben, diejenigen, die entweder nicht nachdenken, was ihr Verhalten für Probleme verursacht (vgl. Dachstuhlbrand) oder diejenigen, die ihre Rechte schlicht ausreizen.

Gerade in der Bekleidungsbranche ein viel zu oft erlebtes Phänomen.

Schwedischer Modehändler zieht Reißleine

Wie bringt man aber die eignen Kunden dazu, vernünftiger zu handeln? Einige Beispiele sind oben im Text genannt. Der schwedische Händler Bootz, der auch in Deutschland seine Bekleidung verkauft, hat nun einen recht drastisch erscheinenden Schritt unternommen: 42.000 Kundenkonten wurden gesperrt. Der Grund: Diese gerademal 2 % der Kunden haben für fast ein Viertel aller Retouren gesorgt.

„Indem wir diese Accounts pausiert haben und so unnötige Retouren reduziert haben, haben wir etwas 791 Tonnen CO2 eingespart. Das ist der Bedarf vorn circa 600 Lieferfahrzeugen pro Jahr“, berichtete Kirkeskov Riis, Sprecher des Unternehmens.

Ob das wirklich gespart wurde, sei mal dahin gestellt – denn die Auswahl an Wettbewerbern ist ja groß. Wer bei Bootz nichts mehr bestellen konnte, hat es eben wo anders getan.

So verpufft der erzieherische Effekt – dem Unternehmen selbst nützt es aber.

Warum Kundenerziehung nicht wirklich funktioniert

Damit solche Einzelaktionen eben nicht verpuffen, bräuchte es mehr Konsequenz und vor allen Dingen einen Schulterschluss. Wir kennen das aus der Kindererziehung. Wenn die Erziehungsberechtigten sich nicht einig sind und unterschiedliche Regeln aufstellen, fruchten die besten und sinnvollsten Ansätze nichts.

Das ist aktuell auch im Onlinehandel so.

Denn es gibt immer einen Anbieter, bei dem man seine Unarten als Kunde ausleben kann.

Fazit zur Kundenerziehung im E-Commerce

Kundenerziehung ist ganz augenscheinlich nötig, scheitert aber an unterschiedlichen rechtlichen Reglungen in einem globalen E-Commerce-Markt und an unterschiedlichen Herangehensweisen einzelner Händler, oft aus Marketinggründen.

Nadine Huss

Nadine ist die Autorin des Buchs "E-Commerce-Manager*in", Dozentin und Beraterin.

Wir verwenden Cookies! (Die technischen, nicht die leckeren)
Wir verwenden Cookies. Diese sind teilweise notwenig, teilweise helfen sie uns (z.B. Tracking Cookies), die Nutzungserfahrung der Seite zu verbessern. Du kannst selbst entscheiden, ob Du das möchtest. Aber vergiss nicht: Das Cookiemonster wäre echt traurig, wenn Du sie ablehnst :)